Der NEUE Referentenentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes – Es wird ernst!

Mit einiger Verspätung nähert sich Deutschland der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden). Wie angekündigt sieht die Ampel-Koalition dabei für ihr Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG“) eine überschießende Umsetzung der Richtlinie vor. Davon werden alle deutschen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern betroffen sein. Weitere Informationen zur Whistleblowing-Richtlinie und zum alten Regierungsentwurf finden Sie in unserem Blog.

Der aktuelle Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 13.04.2022 („Ref-E“) entspricht in weiten Teilen dem Gesetzesentwurf der früheren Bundesregierung. Es werden jedoch von einigen Erleichterungen bzw. Ausnahmen der Whistleblowing-Richtlinie Gebrauch gemacht. Im Folgenden möchten wir besonders die Abweichungen des Referentenentwurfs von der Richtlinie in den Fokus rücken:

Der sachliche Anwendungsbereich

Einen wesentlichen Unterschied zur Richtlinie gibt es beim sachlichen Anwendungsbereich des Ref-E. Während die Richtlinie – vorgegeben durch die Gesetzgebungskompetenz der EU – Hinweisgeber nur bei Verstößen gegen EU-Recht schützt, gilt das HinSchG in der Version des Ref-E auch bei Verstößen „gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder“. Es bleibt weiterhin bei einer Auflistung von einzelnen Rechts- bzw. Themengebieten, die vom HinSchG erfasst sind. Es gibt zudem einige Unterschiede zum früheren Gesetzesentwurf der großen Koalition, z.B. sind nicht mehr alle Ordnungswidrigkeiten relevante Verstöße, sondern nur noch solche, die dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit sowie dem Schutz der Rechte von Beschäftigten dienen.

Während der fragmentarische Anwendungsbereich des HinSchG in der Praxis weiterhin zu Problemen führen wird, ist die überschießende Umsetzung grundsätzlich zu begrüßen. Denn welcher Whistleblower weiß schon, gegen welche Rechtsvorschrift das gemeldete Verhalten genau verstößt? Ebenso schwer wird die Unterscheidung auch denjenigen fallen, die die Meldung bearbeiten müssen. Für die Meldestellen ist eine unrichtige Einordnung dabei durchaus mit Gefahren behaftet, da so womöglich relevante Meldungen untergehen. Wird dies als Behinderung einer Meldung angesehen, kann das sogar zu einem Bußgeld führen (§ 7 Abs. 2, § 40 Abs. 2 Nr. 1 Ref-E). Es ist daher weiterhin empfehlenswert, bei der Auswertung der Meldungen großzügig zu agieren, nicht zuletzt, um zur Nutzung der internen Meldestelle zu motivieren.

Die konzernweite Meldestelle

Ein weiterer Unterschied zur Richtlinie ist die Beurteilung einer konzernübergreifenden Stelle. Im Jahr 2021 hat die EU-Kommission mehrere Stellungnahmen zu diesem Thema veröffentlicht. Dabei machte sie deutlich, dass sie innerhalb eines Konzerns eine einheitliche Meldestelle bei der Konzernmutter für die Töchter nicht als ausreichend ansieht. Der Ref-E lässt dagegen eine solche konzernweite Meldestelle ausdrücklich zu, nicht zuletzt, da der deutsche Gesetzgeber die Konzernmutter auch als „Dritten“ ansieht, an den die Aufgaben der internen Meldestelle ohnehin übertragen werden können (siehe Seite 86 der Gesetzesbegründung des Ref-E). In jedem Fall entbindet die Übertragung der Aufgaben der internen Meldestelle an die Konzernmutter bzw. einen Dritten das Unternehmen nicht davon, selbst Maßnahmen zur Abstellung eines Verstoßes zu ergreifen (§ 14 Abs. 1 S. 2 Ref-E).

Die Sanktionen

Gemäß Artikel 23 der Richtlinie legen die Mitgliedstaaten Sanktionen für diejenigen fest, die die Ziele des Hinweisgeberschutzes behindern, z.B. auch durch vorsätzliche Falschmeldungen. Diese Sanktionen werden im Ref-E genauer definiert.Z.B. bei Repressalien gegen Whistleblower oder wenn Meldungen behindert werden, können Bußgelder in Höhe von bis zu 1 Mio. Euro verhängt werden. Im Gegensatz zum früheren Entwurf des HinSchG ist es zudem mit einem Bußgeld bis zu 20.000 Euro bewehrt, wenn keine interne Meldestelle eingerichtet wird.

Neben dem Bußgeld ist zudem ausdrücklich ein Schadensersatzanspruch für den Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung vorgesehen (§ 38 Ref-E).

Fazit

Noch ist unklar, ob es der Ref-E unverändert zum Gesetz schaffen wird. Bei den oben genannten Eckpunkten sind jedoch keine großen Änderungen zu erwarten. Mit Verabschiedung des HinSchG entsteht für Unternehmen auch die Gefahr von Bußgeldern, insbesondere, wenn sie noch keine interne Meldestelle eingerichtet haben, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Spätestens jetzt müssen Unternehmen also handeln. Wir bei MKM + PARTNER Rechtsanwälte beraten Sie gerne individuell und umfassend zum Thema Hinweisgeberschutz.
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Autorin: Tanja Linebach (Rechtsanwältin)